Martin Schmelas
Institute for Energy Systems Technology, Hochschule Offenburg
Thursday, July 10, 2014, 10:00 - 12:00
Room 02-014, Georges-Koehler-Allee 103, Freiburg 79110, Germany
Der Primärenergiebedarf der Welt ist von 1984 bis 2004 um 49 % gestiegen. 2004 war der Endenergiebedarf von Gebäuden in der Europäischen Union bei 37 %. Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik sind für fast die Hälfte dieses Energiebedarfs verantwortlich. Viele Länder setzen daher auf energieeffiziente Technik und den Ausbau erneuerbarer Energien. Der stetig steigende Anteil erneuerbarer Energien, insbesondere der diskontinuierlich und auch spontan erzeugte Strom aus nicht planbaren natürlichen Quellen, stellt uns vor ein Problem. Besonders die genutzte Sonnen- und Windkraft sorgt für eine fluktuierende Einspeisung von Energie in das Stromnetz. Um Energienachfrage und Energieangebot zu entkoppeln, bedarf es unter anderem an Speichern. Thermoaktive Bauteilsysteme (TABS) sind dafür bekannt Gebäude energieeffizient und wirtschaftlich heizen und kühlen zu können. Dazu werden wasserführende Rohrsysteme in Decken und Fußböden integriert. TABS haben daher eine große Übertragungsfläche und benötigen Vorlauftemperaturen, die nahe an den Raumtemperaturen liegen. Somit eignen sich Niedertemperaturgeräte, wie beispielsweise Wärmepumpen, besonders gut. Außerdem kann die thermische Masse des Gebäudes als Speicher genutzt werden um Lastspitzen zu kürzen und durch Lastverschiebung das Stromnetz zu entlasten. Die große thermische Trägheit von TABS stellt eine besondere Herausforderung in der Steuerung und Regelung solcher Systeme dar. Die am häufigsten angewendete konventionelle Regelstrategie ist die Vorlauftemperaturregelung in Abhängigkeit von mittleren historischen Außentemperaturen über die letzten 24 Stunden. Lineare Gleichungen beschreiben die Abhängigkeit dieser beiden Variablen und werden als Heiz-und Kühlkurven bezeichnet. Dabei stellt sich immer die Frage, welches die geeigneten Parameter für diese Kurven sind. In der Praxis muss diese Parametrierung von Experten während der Betriebszeit der TABS über mindestens ein Jahr durchgeführt werden. Die internen Wärmegewinne müssen über diese Zeit gleich sein. Wenn sich diese Gewinne ändern, muss die Kurve erneut kalibriert werden. Wegen der Verwendung von historischen Außentemperaturen ist es außerdem nicht möglich, auf Wetterumschwünge zu reagieren und solare Gewinne durch ein Fenster zu berücksichtigen. In dieser Dissertation wird eine neue Steuerstrategie für TABS vorgestellt und untersucht, die die Schwierigkeiten und Nachteile der konventionellen Regelstrategie von TABS durch eine selbstlernende und vorausschauende Steuerung von TABS löst und gleichzeitig die Effizienz verbessert. Der Algorithmus basiert auf einer multiplen linearen Regressionstechnik und bietet die Möglichkeit, aus dem historischen Betrieb von TABS zu lernen. Daher ist keine Parametrierung erforderlich. Vorhersagewerte für die mittlere Außentemperatur sowie die mittlere Sonneneinstrahlung von einem Tag, bieten die Möglichkeit, auf Veränderungen der Wetterbedingungen zu reagieren. Durch Widerstandsberechnungen kann der Algorithmus genau die benötigte thermische Energiemenge im Voraus berechnen, die zur Einhaltung einer mittleren Raumtemperatur benötigt wird und somit die thermischen Komfortbedingungen in einem Raum einhalten. Des Weiteren wird untersucht, inwiefern der entwickelte Algorithmus sich zur Entlastung des Stromnetzes eignet. Durch die Bereitstellung der thermischen Energie durch Wärmepumpen oder Kältemaschinen besteht zwischen elektrischer und thermischer Energie ein direkter Zusammenhang. Preis- und anreizbasierte Signale, die beispielsweise von der europäischen Strombörse (EEX) oder dem Regelleistungsmarkt bezogen werden können, werden in den Berechnungen berücksichtigt und entscheiden, ob Energie aus dem Netz bezogen oder dem Netz zur Verfügung gestellt wird ohne den thermischen Komfort zu verletzten. Durch eine Bündelung dieser Wärmepumpen und Kältemaschinen könnte somit ein großes Lastverschiebepotenzial dem Stromnetz zur Verfügung gestellt werden. Durch die Kopplung der Gebäude- und Anlagensimulationssoftware TRNSYS und der Programmiersprache und interaktiven Umgebung MATLAB wird der Algorithmus auf unterschiedlichste Situationen und Unsicherheiten untersucht und bewertet. Die Validierung der Simulationen findet an der neuen Triple-Klimakammer des Instituts für Energiesystemtechnik der Hochschule Offenburg statt. Dazu wird der in MATLAB entwickelte Algorithmus in das grafische Programmiersystem LabVIEW übersetzt, mit dem die gesamte Triple-Klimakammer im Rahmen dieser Dissertation automatisiert wurde.